Häusliche Gewalt: Erstmals bundesweite Statistik zu Täterarbeit veröffentlicht
Zum ersten Mal liegt für Deutschland eine bundesweite erhobene Statistik zu Täterarbeit vor. Veröffentlicht wurden die Zahlen von der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. (BAG TäHG). Mit der Etablierung einer Bundesstatistik leistet der Dachverband einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Istanbul-Konvention und für die Ausarbeitung zielgerichteter Maßnahmen gegen häusliche Gewalt.
An der ersten statistischen Erhebung für das Kalenderjahr 2023 beteiligten sich über 50 Prozent der 89 in der BAG TäHG zusammengeschlossenen Beratungsstellen.[1] Die Einrichtungen lieferten Zahlen zu verschiedenen Indikatoren. Die Erhebung kam u.a. zu folgenden Ergebnissen:
- Knapp 92 Prozent der beratenen Personen waren Männer. Der Anteil der in den Einrichtungen beratenen weiblichen Gewaltausübenden lag bei 8 Prozent.
- Ca. 41 Prozent der Klient*innen waren zwischen 31 und 40 Jahren alt, gefolgt von den Altersgruppen 41-50 Jahre (25,4 Prozent) und 21-30 Jahre (20,2 Prozent).
- 65,4 Prozent der gewaltausübenden Personen lebten mit der geschädigten Person zusammen, 35,6 Prozent hatten einen anderen Wohnsitz.
- 65,7 Prozent hatten Kontakt oder lebten gemeinsam mit einem oder mehreren Kindern zusammen. In diesen Fällen waren demzufolge mindestens 3.541 Kinder von der Gewalt (mit-)betroffen.
- 65,9 Prozent der Personen befanden sich zum Jahresende noch in der Beratung oder hatten das Täterprogramm abgeschlossen. 34,1 Prozent schlossen die Beratung nicht ab.
Die vollständige Statistik ist im Jahresbericht der BAG TäHG veröffentlicht.
Linda Conradi, Geschäftsleitung der BAG TäHG:
„Die Zahlen liefern uns wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Gewaltschutzes und der gleichstellungsorientierten Täterarbeit. Wir hoffen, dass wir in den kommenden Jahren die Statistik weiter ausbauen und verstetigen können. Gleichzeitig sehen wir schon jetzt, dass nur ein Bruchteil der gewaltausübenden Personen in unseren Täterarbeitseinrichtungen ankommt. Das bedeutet, in den meisten Fällen werden die Täter nicht in die Verantwortung genommen, die Ursachen der Gewalt bleiben unberührt und die Betroffenen weiter gefährdet. Wir fordern deshalb, gleichstellungsorientierte Täterarbeit als nachhaltigen Betroffenenschutz anzuerkennen und stärker in das Gewaltschutzsystem einzubinden. Wir brauchen flächendeckende und finanziell gut ausgestattete Täterarbeit, um Gewaltursachen zu bearbeiten und häusliche Gewalt zu überwinden.“
[1] Nicht alle Einrichtungen konnten die Statistik vollständig ausfüllen. Daher basieren die Zahlen z.T. auf unterschiedlichen Grundgesamtheiten. Eine detaillierte Auflistung der Bezugsgrößen findet sich im Jahresbericht 2023.