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Istanbul-Konvention vollständig umsetzen

Stellungnahme der BAG Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. zu den im Bundestag am 10.06.2021 zurückgewiesenen Anträgen zum Thema Gewalt gegen Frauen

Seit mittlerweile 10 Jahren gibt es das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, bekannt als IstanbulKonvention, das die Bundesregierung am 1. August 2014 unterzeichnet und am 12. Oktober 2017 ratifiziert hat. Die Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Der Grundsatz der Konvention in Artikel 1a lautet: „Zweck dieses Übereinkommens ist es, Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen. “

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich damit verpflichtet, offensiv gegen alle Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen vorzugehen. Einen besonderen Fokus legt die Konvention zudem auf häusliche Gewalt.

In Artikel 7 heißt es: „Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um landesweit wirksame, umfassende und koordinierte politische Maßnahmen zu beschließen und umzusetzen, die alle einschlägigen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt umfasst, und um eine ganzheitliche Antwort auf Gewalt gegen Frauen zu geben.“

Im Rahmen einer ganzheitliche Gewaltschutzstrategie hat sich Deutschland zu verschiedenen Maßnahmen verpflichtet:

  • Gewaltprävention durch Bewusstseinsschaffung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit
  • Unterstützung und Schutz durch Hilfsdienste, Einsatz ausgebildeter Fachkräfte, Einrichtung von Frauenhäusern
  • Wirksame strafrechtliche Normen und Verfahren zur Aufklärung und Sanktionierung von Gewalttaten
  • Sofortschutz durch Kontakt- und Näherungsverbote
  • Ausdehnung der Maßnahmen auch in Asylverfahren, eigenständige Aufenthaltstitel für Gewaltopfer

Jedoch hat die Bundesregierung noch lange nicht alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, notwendige neue Verordnungen erlassen und die notwendige Finanzierung der Maßnahmen bewilligt.

Deswegen haben am 10.06.2021 die FDP, die Grünen und die Linken folgende Anträge in den Bundestag eingebracht:

„Frauenhäuser als Teil des staatlichen Schutzauftrages wahrnehmen“ „Infrastruktur für Betroffene häuslicher Gewalt in Deutschland krisenfest aufstellen“

„Gewalt an Frauen und Mädchen systematisch bekämpfen – Grundlagen zur erfolgreichen Umsetzung der Istanbul-Konvention schaffen“

„Femizide in Deutschland untersuchen, benennen und verhindern“

„Verantwortung für Frauen in Frauenhäusern übernehmen“

„Beratungsangebote für gewaltbetroffene Frauen stärken“

Konkret geht es dabei um folgende wichtige Forderungen zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen:

  • Gemeinsam mit den Ländern und Kommunen alle Bemühungen zu unternehmen, um von häuslicher Gewalt betroffene Menschen kurzfristig in Schutzeinrichtungen unterzubringen und mittelfristig die Anzahl der Plätze in Schutzeinrichtungen auszubauen und dafür die Förderrichtlinien des Bundesinvestitionsprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ zu erweitern, damit die Einrichtungen auch bei steigenden Personal- und Sachkosten unterstützt werden können; • Eine staatliche Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention zu schaffen, die die Anstrengungen der einzelnen Ministerien und die der Länder koordiniert und abstimmt;
  • Eine externe und unabhängige Monitoring-Stelle zu schaffen, die für die Evaluierung der einzelnen Maßnahmen sowie für die Berichterstattung zuständig ist;
  • Finanzielle Mittel für die Zivilgesellschaft bereitzustellen, damit diese unabhängig und kritisch die Umsetzung der Istanbul-Konvention begleiten kann.
  • In den nächsten sechs Jahren in Abstimmung mit den Bundesländern und Kommunen eine nach Art. 23 Nr. 135 ausreichende, regional verteilte sowie an den tatsächlichen Bedarfen orientierte Anzahl an Frauenhausplätzen zur Verfügung zu stellen;
  • Zeitgleich zum Ausbau der Frauenhäuser in Abstimmung mit den Ländern darauf hinzuwirken, dass auch die Anzahl des ausgebildeten Personals in den Schutzeinrichtungen in dem Maße steigt, um dafür Sorge zu tragen, dass den Bedürfnissen aller Opfer im Hinblick auf verfügbare Zufluchtsorte und spezialisierte Hilfe entsprochen wird.

Alle Anträge wurden durch die Abgeordneten der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD sowie den Stimmen der AFD abgelehnt. Damit kommen diese Parteien ihren Verpflichtungen aus dem Grundgesetz Artikel 2 und der Istanbul-Konvention nicht nach.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht glaubwürdig, andere Staaten für ihren Austritt aus der Istanbul-Konvention zu kritisieren.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. und ihre 80 Mitgliedseinrichtungen leisten durch die Arbeit mit gewaltausübenden Personen seit mittlerweile 14 Jahren einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und sind genauso wie die Frauenschutzeinrichtungen auf verlässliche rechtliche Strukturen und eine nachhaltige Finanzierung angewiesen. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, die Istanbul-Konvention in vollem Umfang umzusetzen.

Für die BAG Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V.
Roland Hertel
Vorstandsvorsitzender

Ansprechperson

Linda Conradi
Geschäftsleitung
info@bag-taeterarbeit.de

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