Am 7. Juni 2024 haben Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Bundesfrauenministerin Lisa Paus und die Vizepräsidentin des Bundeskriminalamtes Martina Link das Lagebild Häusliche Gewalt für das Jahr 2023 vorgelegt. Die wichtigste Jahresstatistik im Hellfeld häuslicher Gewalt kommt einmal mehr zu wenig überraschenden, dennoch äußerst besorgniserregenden und frustrierenden Ergebnissen.
Die Zahl der registrierten Fälle häuslicher Gewalt stieg 2023 erneut an. So wurden im vergangenen Jahr insgesamt 256.276 Fälle von häuslicher Gewalt erfasst, was einer Zunahme von 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Auch im Bereich von Partnerschaftsgewalt berichtet das BKA von einem massiven Anstieg der gemeldeten Fälle. 2023 waren insgesamt 167.865 Personen nachweislich von Partnerschaftsgewalt betroffen (+6,4%). Die Geschlechtsspezifität von Partnerschaftsgewalt spiegelt sich auch in den veröffentlichten Zahlen wider. In über 79% Prozent der Fälle von Partnerschaftsgewalt waren die Betroffenen weiblich, 77,6% der Täterverdächtigen männlich. 155 Frauen und 24 Männer wurden 2023 durch ihre*n Partner*in getötet.
Die kriminalstatistischen Auswertungen des BKA verdeutlichen Jahr für Jahr, dass es sich bei häuslicher Gewalt um ein gesamtgesellschaftliches Problem extremen Ausmaßes handelt, bei dem von einem hohen Dunkelfeld auszugehen ist. Wie viele Menschen tatsächlich Gewalt im häuslichen Bereich erfahren, lässt sich nur erahnen. Die konstant steigenden Zahlen zeigen, dass die bislang ergriffenen Schutz- und Präventionsmaßnahmen bei weitem nicht ausreichen, um Menschen – insbesondere Frauen und Kinder – vor häuslicher Gewalt zu schützen.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. (BAG TäHG) begrüßt daher den Vorstoß von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, in Deutschland verpflichtende Täterarbeit im Zuge einer Ergänzung des Gewaltschutzgesetzes etablieren zu wollen. Zu oft wird von Betroffenen erwartet, sich selbst Hilfe zu suchen und Schutzmaßnahmen zu ergreifen, ohne den Fokus auch auf die Inverantwortungsnahme von Tätern zu richten. In sogenannten Täterarbeitsprogrammen lernen gewaltausübende Personen, Verantwortung für ihr gewalttätiges Verhalten zu übernehmen und gewaltfrei zu handeln. Neben Kooperationen ist ein entscheidender Faktor dabei die zeitliche Dauer des Programms.
Die Verpflichtung zu einer Gewaltpräventionsberatung von sechs Stunden zum Zeitpunkt einer Wegweisung, wie sie in Österreich zur Anwendung kommt, stellen eine passende Erstintervention dar, um Normverdeutlichung, Krisenintervention und Gefährlichkeitseinschätzung vornehmen zu können. Sie ersetzen jedoch nicht die Teilnahme an einem Täterarbeitsprogramm selber. Wie die BAG TäHG in ihrem Standard zur Arbeit mit Tätern in Fällen häuslicher Gewalt betont, sollten sich Täterprogramme über einen Zeitraum von mindestens sechs Monate erstrecken, um nachhaltige, gewaltfreie Verhaltensänderungen erreichen und Betroffene langfristig schützen zu können.
Die Inverantwortungsnahme gewaltausübender Personen durch eine zeitnahe und verpflichtende Intervention ist ein wichtiger Schritt, der allerdings unweigerlich mit einer besseren Finanzierung von Täterarbeitseinrichtungen einhergehen muss. Schon heute reichen die bereitgestellten Finanzmittel häufig nicht aus, um Täterarbeit nach dem Standard der BAG TäHG anbieten zu können. Daher ist der begrüßenswerte Vorstoß von Bundesinnenministerin Nancy Faeser in der Praxis nur umsetzbar, wenn ausreichend finanzielle Ressourcen für die standardbezogene Täterarbeit zur Verfügung gestellt werden.