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Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens

Zeugnisverweigerungsrecht § 53 StPO Geltungsbereich überprüfen und ergänzen

Länderumfrage des BMJV zum Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeitende von Fachberatungsstellen für Opfer von (sexualisierter) Gewalt vom 21.01.2021

Das Thema des Zeugnisverweigerungsrechts für Mitarbeitende von Fachberatungsstellen bedarf einer breiten fachlichen Diskussion, die sich u.a. bereits in der Stellungnahme des Paritätischen Gesamtverbands zu den geplanten Änderungen beim Zeugnisverweigerungsrecht (ZVR) nach §53 StPO vom 26.09.2019 widerspiegelt. Auch aus der o.g. Länderumfrage des BMJV wird deutlich, dass eine Neubewertung der rechtlichen Grundlage in Abstimmung mit der Professionalisierung der Sozialen Arbeit und von Beratungsstellen vonnöten ist, deren gesellschaftlicher Auftrag die Beratung von Opfern und ebenso von Täter*innen von Straftaten ist.

Als Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. (BAG TäHG) betonen wir, dass die Problematiken, die für die Beratenden von Betroffenen benannt werden, sich in ebensolchem Maß für die Beratenden von Beschuldigten stellen: Grundlage der Täterarbeit ist die Vertrauensbasis, die seitens der Beschuldigten gegenüber den Beratenden nötig ist, um die ihnen vorgeworfenen Straftaten zu thematisieren. Delikte von beiden Seiten offen ansprechen zu können, ist eine grundlegende Voraussetzung für eine Reflexion und kritische Auseinandersetzung mit den Tatvorwürfen und dem Tatgeschehen, die auf eine zukünftige Gewaltprävention hinarbeitet. Viele Studien haben gezeigt, dass die Kombination von Strafverfolgung und Unterstützungsangeboten bei Deliktgruppen interpersoneller Gewalt im sozialen Nahbereich (häusliche und sexualisierte Gewalt, Stalking) nötig ist, um die Wiederholungsgefahr zu verringern. Gleiches gilt für die Fachkräfte der freien Straffälligenhilfe.

Müssen dagegen die Beschuldigten, wie es die derzeitige Rechtslage zulässt, befürchten, dass ihre Aussagen, die sie im Vertrauensverhältnis zu den Beratenden tätigen, durch Zeugenvorladung vor Strafgerichten zur Beurteilung der Schuld und des Strafmaßes herangezogen werden können, so macht das die Arbeit der Täter*innenarbeitsstellen obsolet.

Auf welchem Weg der Ausgleich zwischen Wahrheitssuche und Vertrauensschutz erfolgen und das vorhandene Misstrauen gegen einen Berufsstand abgebaut werden kann, bedarf weiterer fach- und rechtspolitischer Diskussionen.

Der Vorschlag, das Berufsgeheimnis für spezielle Berufsgruppen (wie Rechtsanwält*innen, psychologische Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen) auf die Absolvent*innen eines Abschlusses in Sozialer Arbeit auszudehnen, erscheint unspezifisch, da es sich nicht auf alle der vielfältigen Tätigkeitsfelder der Sozialen Arbeit erstrecken müsste. Zudem arbeiten in den Einrichtungen der Täter*innenarbeit interdisziplinär verschiedene Berufsgruppen zusammen, so dass u.E. das ZVR eher an die spezifische Klientel und die Beratungsinhalte gebunden werden sollte. Hier bietet sich eine Anlehnung an das gesetzlich normierte ZVR von Mitarbeitenden der Drogenberatungsstellen und der Schwangerschaftsberatung an.

Die Wege, die im Gutachten von Schruth und Simon „Strafprozessualer Reformbedarf des Zeugnisverweigerungsrechts in der Sozialen Arbeit…“ von 2018 aufgezeigt werden, scheinen auch für den Bereich der Täter*innenarbeitsstellen gangbar. In Frage kommt u.U. ein beim Verwaltungsgericht zu beantragendes trägerspezifisches Antragsverfahren zur Anerkennung eines Rechts auf Zeugnisverweigerung, sofern sich dieses in anderen Bereichen bereits bewährt hat.

Aus den Erfordernissen der Istanbul-Konvention zur Finanzierung von Opferunterstützung und Täterprogrammen bei häuslicher Gewalt, die unter anderem auf eine flächendeckende Ausweitung der Täterarbeitseinrichtungen abzielt, ergibt sich ein hoher Regelungsbedarf hinsichtlich des ZVR. Damit kann eine Arbeitsgrundlage geschaffen werden, die den Mitarbeitenden Rechts- und Handlungssicherheit in ihrem verantwortungsvollen Tätigkeitgebiet bietet.

Für die BAG Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V.
Roland Hertel
Vorstandsvorsitzender

unter Mitwirkung von
Wolf Ortiz-Müller

Ansprechperson

Linda Conradi
Geschäftsleitung
info@bag-taeterarbeit.de

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