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Stellungnahme zur Reform des Kindschaftsrechts

Mehrere Studien zeigen, dass Kinder von der Gewalt in Familien, vor allem zwischen Elternteilen, massiv mit betroffen sind. Diese Studien beziehen sich auf das Erleben von körperlicher und psychischer Gewalt des Vaters gegen die Mutter. Gemäß dieser Studien gibt es einen engen Zusammenhang von erlebter Gewalt vom Vater gegen die Mutter und der weiteren Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bis hinein ins Erwachsenenalter. Damit bestehen auch enge Zusammenhänge zum Opfer und Tätersein im Erwachsenenalter. Weiterhin sind gerade im psychischen Bereich Erkrankungen und massive Einschränkungen im Erwachsenenalter zu beobachten, welche auf Kindheitserfahrungen zurückzuführen sind. So kommt eine Studie aus Neuseeland im Rahmen einer Längsschnittuntersuchung zu dem Ergebnis, dass beispielsweise in Bezug auf Depression das Erkrankungsniveau bei Miterleben häuslicher Gewalt (mehr als zweimal) das Niveau viermal so hoch ist bei Erwachsenen, die früher Gewalt vom Vater an der Mutter erlebt haben (vgl. Fergusson/ Horwood, 1998).

In der praktischen Arbeit beobachtet die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt, dass Gewalt vom Vater an der Mutter bei der Regelung des Umgangs nur ungenügend oder gar nicht beachtet wird. Eine Trennung zwischen ausgeübter Gewalt und früherer gewaltfreier Beziehung wird hier nicht adäquat ins Auge gefasst. Individuelle Lösungen auf den Einzelfall sind hier wohl nicht vorgesehen.

Oft außer Acht gelassen wird, dass beim Miterleben von Gewalt in häuslichen Beziehungen eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 8a KJHG zu bejahen ist.

Hier sollte bei der Kindschaftsrechtsreform eine klare Regelung/Haltung bezüglich der Regelung des Umgangs Einzug halten, wenn Gewalt des Vaters an der Mutter, in der Realität zu beobachten war. Aus Sicht der Bundesarbeitsgemeinschaft 2 Täterarbeit sollte individuell auf den Einzelfall bezogen, zunächst ein betreuter Umgang in Verbindung mit der Auflage eine Beratung in einer speziellen Täterarbeitseinrichtung häuslicher Gewalt als Hilfsangebot für den Vater zur Verfügung gestellt werden. In der Einrichtung für Täterarbeit wird dann individuell entschieden, welches Setting dem Mann zur Verfügung gestellt werden kann, sodass er die Belange des Kindes in den Mittelpunkt seines Denkens stellt. Ebenso muss für Väter, die nicht nur Gewalt gegen die Partnerin, sondern auch oder nur gegen die Kinder ausgeübt haben, ein spezielles Beratungsprogramm im Rahmen einer zunächst betreuten Umgangsregelung greifen. Nur so kann eine auf die Zukunft ausgerichtete Umgangsregelung, für Väter die Gewalt ausgeübt haben, entwickelt werden. Es gilt zu bemerken, dass es zu vermitteln gilt, dass die Väter das Beratungs- bzw. Interventionsangebot als Hilfe verstehen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt regt deshalb an, hier eine klare und unmissverständliche Regelung bei der Reform des Kindschaftsrechts einzuarbeiten, sodass neben einem betreuten Umgang auch die Inanspruchnahme eines Beratungsangebots verpflichtend wird.

Roland Hertel
Vorstandsvorsitzender BAG Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V.

Quelle: Fergusson, David M.; Horwood, L. John (1998) Exposure to Interparental Violence in Childhood and Psychological Adjustment in Young Adulthood, In: Child Abuse & Neglect, Volume 22, Issue 5, pp. 339-357

Ansprechperson

Linda Conradi
Geschäftsleitung
info@bag-taeterarbeit.de

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